Maßgeblich ist das Verborgene
Künstlerin Swetlana Filippowa stellt in der "Drogerie" aus

Von Carsten Heinke

Über Decken und Wände des nächtlichen Zimmers huschen Schatten, die sich in den Augen eines ängstlichen Kindes zu riesigen Ungeheuern verwandeln. Zufällige Geräusche verleihen den Monstern Stimmen. Ein alltägliches Szenarium zwischen Licht und Dunkelheit, das Swetlana Filippowa mit ihrem Animationsstreifen "Die Nacht ist gekommen" in einen phantasievollen Bilderreigen gesetzt hat. Die weichen Konturen der Dämmerungsgestalten, die verzögert fließenden Bewegungen erreicht sie mit Kaffeepulver, in das sie die unzähligen Details zeichnet und das schon allein durch seine körnige Struktur die Illusion geheimnisvollen Raschelns erzeugt.
Mit ihrem filmischen Erstlingswerk, welches das Leipziger Publikum bereits 1998 beim Dokumentar- und Kurzfilmfestival unter den zehn besten platzierte, eröffnete die russische Trickfilmregisseurin und Malerin Swetlana Filippowa im Gohliser Kunsthaus Drogerie ihre Austellung "Reise". Ähnlich wie bei ihrer Animationsarbeit formt die 32-Jährige auch in ihren Ölpastellen aus Alltags-Beobachtungen, Erinnerungen und Traumbildern eine Poesie, die dem Betrachter stets Freiräume für die eigene Phantasie lässt.

Der Kaffeesatz-Effekt aus dem Trickfilm (derzeit ist ein Animationsstreifen über den Dichter Majakowski in Arbeit) wird in den Zeichnungen ersetzt durch grobes Aquarellpapier. Die allgegenwärtige Harmonie erzielt Filippowa durch liebevolle Rundungen und erdachte Raumperspektiven, die sich ihren Figuren unterwerfen. Trotz hoher Dunkelanteile wirken die Bilder in den zurückhaltenden, erdigen Farben nicht düster. Lichtkontraste hüllen sie in einen Glanz, in dem die Grenze zum Märchenhaften zuweilen verschwimmt.
Naturalismus sei nicht ihr Weg, sagt Filippowa. Ihre Wurzeln sieht die diplomierte Philologin in der russischen Ikonenmalerei, deren formale Übersteigerung ihren Figuren ebenso eigen ist wie das Lyrische und Dramatische. Sie konzentriert sich nicht auf Formen. Maßgeblich ist das Verborgene.
In der Leipziger Galerie zu sehen waren 27 Arbeiten Filippowas, die in den letzten vier Jahren in Russland und Deutschland entstanden. Die im kasachischen Alma-Ata geborene Künstlerin zog vor zwei Jahren mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern nach Bayern, bevor sie 1999 nach Leipzig kam. Aufmerksam beobachtete sie die Menschen ihrer neuen Umgebung und schuf daraus "Reisebilder", poetische Momentaufnahmen aus dem Blickwinkel einer Fremden. Ganz gleich, ob es sich bei den Dargestellten um eine komische alte Dame, eine Trinkerin oder einen jungen Burschen handelt - immer verrät das Porträt Filippowas ihre Achtung und ihre Behutsamkeit, mit der sie ihre "Modelle" charakterisiert: "Wenn ich spüre, dass eine Arbeit ironisch wird, setze ich sie nicht fort."

Leipziger Volkszeitung, 08.06.2000

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